Entwurmungs-Management


Selektiv oder Strategisch?

Welche Entwurmungsstrategie gewählt wird, hängt stark vom Bestand ab. Die hier vorgestellten Möglichkeiten beziehen sich auf erwachsene Pferde. Fohlen, Jungpferde und Zuchtstuten müssen anders entwurmt werden.

Die Dosierung von Wurmkuren muß immer nach dem Gewicht des Pferdes erfolgen

Selektive Entwurmung

Die selektive Entwurmung, zur Zeit als Goldstandart überall beworben, kommt ursprünglich aus der Schafhaltung.
Hier gibt es in den großen Beständen massive Probleme mit Resistenzen bei
Kleinen Strongyliden.
Deshalb wurde ein Programm, die selektive Entwurmung, entwickelt um
möglichst wenige Tiere zu behandeln und trotzdem die Kontamination der Weiden mit Wurmeiern gering zu halten sowie einer weiteren Verbreitung von Resistenzen Vorschub zu leisten.
Aus dem Vorangestellten ergibt sich auch schon das größte Problem der selektiven Entwurmung beim Pferd: Sie richtet sich ausschließlich gegen Kleine Strongyliden.
Da sie derzeit aber überall beworben wird hier die Vorstellung der selektiven Entwurmung beim Pferd:

Grundlage ist das Erstellen eines Status Quo des Wurmbefalls aller Pferde eines Bestandes. Hierzu werden von allen Pferden Kotproben entnommen und auf die Menge von Strongylideneiern untersucht. Es geht hierbei insbesondere um die Bestimmung der Eizahl pro Gramm Kot (EpG).
Anschließend wird ermittelt welche Antiparasitika in diesem Bestand wirksam sind. Hierzu werden die einzelnen Wirkstoffe bei mehreren Pferden eingesetzt und anschließend mittels Eizahlreduktionstest ermittelt, ob sie zufriedenstellend wirken.
In der Folge werden nur Tiere mit einer Überschreitung einer gewissen EpG mit einem als wirksam getesteten Antiparasitikum entwurmt. Die Zeitabstände richten sich nach dem Ergebnis der Kotuntersuchungen und dem verwandten Wirkstoff.
Von allen, auch zuvor nicht als Ausscheider hoher Eizahlen aufgefallenen Pferde müssen langfristig regelmäßig Kotproben untersucht werden.
Die Wirksamkeit der eingesetzten Antiparasitika gegen Kleine Strongyliden wird langfristig mittels Eizahlreduktionstest überwacht.

Dieses Vorgehen richtet sich ausschließlich gegen die Kleinen Strongyliden. Nur diese werden bei der angewandten Kotuntersuchungsmethode nachgewiesen. Zu den großen Strongyliden, deren Eier genauso aussehen, besteht keine Differenzierung.
In den Kotproben kann auch kein Befall mit anderen Parasiten nachgewiesen werden (z.B. Spulwürmer, Bandwürmer, Magendasseln).
Wird also nur nach dem Prinzip der selektiven Entwurmung behandelt, bleiben die sonstigen Parasiten völlig aussen vor!
Dies haben mittlerweile auch die Befürworter der selektiven Entwurmung erkannt und empfehlen zusätzlich eine zweimalige Entwurmung aller Pferde mit einem gegen die übrigen Parasiten wirksamen Medikament.


Es wird hierbei für EINE Parasitenart ein erheblicher Aufwand betrieben, die übrigen Parasitenarten müssen jedoch trotzdem anderweitig bekämpft werden um einen sicheren Schutz der Pferde vor parasitenbedingten Schäden zu gewährleisten.
Wird dies beachtet, zusätzlich auf eine korrekte Weidehygiene Wert gelegt und besteht nicht zu viel Gefahr die Einschleppung aus anderen Beständen (durch Pferdewechsel oder Tourismus wie Turnier- oder Kursteilnahme) so ist die selektive Entwurmung eine Methode die die Frequenz der Entwurmungen einzelner Tiere vermindern kann. Hierzu muß jedoch erheblicher zeitlicher und finanzieller Aufwand betrieben werden.

 

Strategische Entwurmung nach Prof. Georg von Samson-Himmelstjerna

Basis ist hier die Ermittlung der im Bestand wirksamen Wirkstoffe mittels Kotproben und Eizahlreduktionstests sowie ein Monitoring der im Bestand vorkommenden Parasitenarten.

Hierzu wird zunächst ein Status Quo erstellt, der alle relevanten Parasitenarten beinhaltet.

Im Frühjahr, ca. 4 Wochen nach Weideaustrieb, wird mit Ivermectin oder Moxidectin entwurmt. Diese Entwurmung richtet sich gegen kleine Strongyliden, erfasst aber einen Großteil der übrigen Parasiten mit.

Im Sommer werden Sammelkotproben genommen und bei nachgewiesenem Befall alle Pferde der Gruppe mit einem als wirksam getesteten Antiparasitikum entwurmt (Pyrantel oder Benzimidazole).

Im Herbst bei Aufstallung werden alle Pferde mit Ivermectin oder Moxidectin, ggf. in Kombination mit Praziquantel (Bandwürmer) behandelt. Diese Entwurmung richtet sich wiederum gegen alle Parasiten.

Eventuell kann im Winter nochmals Beprobt und Entwurmt werden.

Neu eingestellte Pferde werden Beprobt, ggf. Entwurmt, nochmals Beprobt und erst bei negativem Ergebnis der zweiten Kotuntersuchung in die Herde integriert.

Bei dieser Methode wird sehr viel Wert auf die Kenntnis des Vorhandenseins aller Parasitenarten und die Wirksamkeit der vorhandenen Antiparasitika gelegt.
Kotproben werden auf alle im Kot nachweisbaren Parasiten untersucht und eben nicht nur auf Strongylideneier (unterschiedliche Untersuchungsmethoden).

Schwierigkeiten können sich ergeben wenn Pferde den Bestand vorübergehend verlassen und evntl. unerkannt neue Parasiten einschleppen.

 

Praxisorientierte Strategische Entwurmung

Die folgende Strategie kann sowohl für Bestände (sinnvoller) als auch, wo dies nicht möglich ist (Pensionsbetriebe ohne zentrales antiparasitäres Management), beim in einem gemischten Bestand stehenden Einzeltier (mit dem Ziel das Individuum zu bestmöglich zu schützen) angewandt werden.

Vorteilhaft ist auch hier die Überprüfung der Wirksamkeit der einzelnen Antiparasitika, dies findet in der Praxis jedoch leider kaum statt. Auch ein Monitoring welche Parasiten im Bestand vorkommen, wird leider selten durchgeführt

Ende April: Vor Weideauftrieb Pyrantel, bei erwiesener Wirksamkeit oder in Ausnahmefällen auch Benzimidazole. Ziel ist es die Weiden von Anfang an möglichst wenig mit Parasiteneiern zu belasten.

Ende Juli:Mitte der Weidesaison (vorzugsweise kurz vor Weidewechsel) erneut Pyrantel oder Benzimidazole zur Reduzierung der Weidebelastung und der Reinfektionen.

Ende Oktober: Zum Ende der Weidesaison Ivermectin. Die Pferde gehen weitgehend "sauber" in den Stall und über den Sommer angesammelte Magendasseln werden abgetötet.

Ende Januar: Ivermectin und Praziquantel (als Kombi, bei alten oder empfindlichen Pferden einzeln). Verbliebene Magendasseln werden abgetötet und können im Frühjahr die Weiden nicht neu kontaminieren. Ein eventuell vorhandener Bandwurmbefall wird sicher beendet, die Weiden werden im Sommer nicht neu kontaminiert. Bei angenommener oder bewiesener Empfindlichkeit aller Parasitengruppen sind die Pferde zum anstehenden Fellwechsel weitgehend parasitenfrei.

Vorteile: Durch das Gießkannenprinzip und die wechselnden Wirkstoffe kann davon ausgegangen werden, dass im Laufe des Jahres alle Parasitenarten durch ein wirksames Mittel abgetötet werden. Die Häufigkeit der Entwurmungen ermöglicht eine weniger sorgfältige Weidehygiene (in großen Beständen ist ein regelmäßiges Absammeln der Weiden illusorisch).

Nachteile: Häufige Behandlung des Einzeltieres, die bei hohem Infektionsdruck fallweise trotzdem nicht ausreichend sein kann. Bei fehlenden Wirksamkeitsnachweisen möglicherweise Entstehung von resistenten Wurmpopulationen. Insbesondere wenn diese Strategie als Einzeltierbehandlung innerhalb eines Bestandes vorgenommen wird.

 

Zur "Nikolausentwurmung"

Die sogenannte Nikolausentwurmung mit Ivermectin ist fest in den Köpfen der Pferdehalter, Tierärzte und Parasitologen verankert. Aus meiner Sicht ist der Dezember als Zeitpunkt für eine einmalige Gabe von Ivermectin nicht besonders gut geeignet. Meine eigenen Überlegungen hierzu:
Die Dasselfliege des Pferdes kann bis zum ersten Frost vorkommen und ihre Eier ablegen. In unseren Breiten kommt der erste wirkliche Frost meistens Ende November, Anfang Dezember vor. Die infektionsfähigen Larven brauchen von der Eiablage bis in den Magen, wo sie sicher von der Wurmkur erfasst werden, ca. 4 Wochen. Der Dezember ist also eigentlich zu früh für eine sichere Entwurmung.
Wartet man jedoch bis in den Januar, hat das Pferd, bei einem stärkeren Befall im Sommer, möglicherweise bereits größere Schäden an der Magenschleimhaut. Eine zweimalige Entwurmung mit Ivermectin wie oben beschrieben ist also sinnvoller und kann zu einer erheblichen Senkung des Befalls im Folgejahr führen.
Die Nikolausentwurmung an sich ist der Rinderpraxis entliehen. Vor Jahren kam Ivermectin für Rinder, Pferde und Schweine gleichzeitig auf den Markt. Das Rind hat eine andere Dasselfliege als das Pferd. Die Rinderdassel wandert, anders als die Pferdedassel, unter anderem durch den Rückenmarkskanal. Tötet man sie hier ab, kommt es zu schweren Schäden für das Rind. Aus diesem Grund darf man Rinder nach Anfang Dezember (Nikolaus) nicht mehr mit Ivermectin entwurmen. Diese Regel ist grundlos in die Pferdepraxis eingegangen und hält sich hartnäckig. Aus o.g. Gründen ist sie jedoch nicht sinnvoll.

Fazit: Die hier vorgestellten Entwurmungsprogramme sind mehr oder weniger praktikabel und sollten immer auf den einzelnen Bestand und das einzelne Pferd bezogen hinterfragt werden. Sicher können sie als Leitlinie dienen, angestrebt werden sollte immer ein mit dem Tierarzt individuell ausgearbeitetes Programm für den gesamten Bestand oder, wo dies nicht möglich ist, für das Einzeltier. Hierbei müssen auch immer die Haltungsform und der Hygienestatus des pferdehaltenden Betriebes berücksichtigt werden.

Sprechen Sie mich an, ich berate Sie gerne.